Rundschau Rhein-Sieg am 26.April 2014                           






















 


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Sanitätshaus Rahm Hightech löst Lederhand ab

Erstellt 25.04.2014

Kuratorin Claudia Benter-Schmitz trug die Exponate zusammen und arrangierte die

komplette Ausstellung. Neben der volkskundlichen Recherche sind skurril anmutende

Medizinprodukte der Firma bis auserwählte Familienstücke zu sehen.

 

Unter den Exponaten befinden sich alte Rollstühle und heute skurril anmutende Medizinprodukte wie die Hosen, Hemden und Bandagen aus echtem Katzenfell gegen Rheuma.  Foto: Mischka s.o.

Das Sanitätshaus Rahm hat in der Firmenzentrale in Spich einen Museumsraum eröffnet. Er gibt Auskunft über die Geschichte eines speziellen Berufszweiges und darüber, welche Möglichkeiten sich für Menschen mit einer Behinderung auftun. Von Dörte Staudt   

Männer mit schwarzen Händen machten Kindern früher Angst und bereiteten Erwachsenen Unbehagen. Den Kindern Angst, weil sie nicht wussten, dass es sich um ausgestopfte Ersatzhände aus Leder handelt, Erwachsenen Unbehagen, weil sie sich nur ungern an den Krieg und seine Folgen erinnern ließen. Erinnerungen an diese Gefühle kommen auf, beim Betrachten einer solchen Nachkriegsprothese aus dem Jahr 1956 im neu eingerichteten Museumsraum der heute in Troisdorf ansässigen Firma Rahm.

Der „Schmuckarm“, wie er damals hieß, ragt da neben einer von Ferdinand Sauerbruch konstruierten Unterarm-Prothese mit der „Hüfner-Hand“ in die Luft. Eine Mechanik nebst Finger- und Daumenkonstruktion aus den 20er Jahren, die einfache, wenn auch kantige Bewegungen zuließ. Exponate, die die Kuratorin Claudia Benter-Schmitz und zahlreiche Rahm-Mitarbeiter aus Kellern verschiedener Filialen geklaubt, in Internet-Auktionen und von Privatleuten zusammengetragen haben. Eine anfassbare Chronik des Familienbetriebs sollte das werden, doch hat sich herausgestellt, dass das aus dem Projekt entstandene Ensemble noch weit mehr erzählt. Es gibt Auskunft über die Geschichte eines hierzulande recht jungen Berufszweiges einerseits und andererseits darüber, welche Möglichkeiten sich dank moderner Technik für Menschen mit einer Behinderung auftun. Die aktuell gebräuchliche Handprothese aus dem Jahr 2012 etwa, die auch ausgestellt ist, wird nur noch aus nächster Nähe als solche wahrgenommen. „Da wird regelrecht maskenbildnerisch gearbeitet“, erzählt Claudia Benter-Schmitz, dass die gesunde Hand Modell ist für die Nachbildung. Und dass diese neuen Modelle dank eines von Laien kaum nachvollziehbaren Zusammenspiels von Muskeln und computergesteuerter Technik nahezu feinmotorisch arbeiten können. Ein Beispiel unter vielen in der Orthopädietechnik.

Firmengründer Wilhelm Rahm wurde 1945 von einem Versehrtenlager bei Hannover angefordert. Die Geschicklichkeit des Schuhmachermeisters war gefragt in Sachen Prothetik. Damals muss der Siegburger seine Faszination für die Orthopädietechnik und nicht zuletzt auch den Markt, der damit verbunden ist, erkannt haben. 1957 eröffnete er mit zwei Mitarbeitern in der Siegburger Neuen Poststraße ein Orthopädie-Schuhmachergeschäft. Sein Sohn Josef machte dort nahtlos weiter, absolvierte gleich zwei Ausbildungen, eine kaufmännische und eine zum Orthopädie-Schuhmacher. Er baute das Unternehmen aus, seit dem Jahr 2000 gemeinsam mit Tochter Meike, und beschäftigt heute mehr als 500 Menschen.

Nahezu ein Massenprodukt ist – zu engen High-Heels oder der Asphalttreterei geschuldet – die Schuheinlage für Spreiz- und Senkfüße geworden. Auch die kommt, wie in dem Mini-Museum zu sehen ist, nicht mehr als knubbeliges Korkstück, sondern als vielschichtiges Hightech-Produkt nach einer Computer-Fußanalyse daher.

Nur im Nebensatz ist in den Erklärtexten erwähnt, was auch ein größeres Thema für das Museum wäre: 1995 spendierte Rahm Prothesen für 20 Kinder, die in Sarajevo Opfer des Balkankrieges geworden waren und für Wochen in Deutschland versorgt wurden. Was Krieg für die Versehrten ein ganzes Leben lang bedeuten kann, wird beim Blick auf das schwarze Holzbein aus dem Ersten Weltkrieg deutlich.

Der Museumsraum in der Rahm-Zentrale am Iltisweg 4a in Troisdorf-Spich wird am Dienstag, 29. April, um 17.15 Uhr eröffnet. Es spricht Gabriele Dafft, wissenschaftliche Referentin im Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland. Der Museumsraum ist Montag bis Freitag von 8.30 bis 18


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